Donald Trumps Zölle – Stephen Miran liefert das ökonomische Gerüst
- Editorial Team
- 7. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Die neue globale Zolloffensive der Trump-Regierung ist nicht bloß politisches Theater – sie basiert auf einem strategischen Umdenken in Sachen Handel und Währung, maßgeblich geprägt von seinem designierten Vorsitzenden des Council of Economic Advisors, Stephen Miran. In seinem Papier A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System argumentiert Miran, dass ein überbewerteter Dollar – nicht nur China oder NAFTA – für den Niedergang der US-Industrie verantwortlich ist.

US-Dollar und internationale Wettbewerbsfähigkeit
Mit der Wiedereinführung umfassender Zölle will die Trump-Regierung das Handelsdefizit verringern und Produktionsstätten in die USA zurückholen. Die intellektuelle Grundlage dieser Strategie stammt unter anderem von Stephen Miran – Trumps Kandidat für den Vorsitz des Council of Economic Advisors. In A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System argumentiert Miran, dass der überbewertete US-Dollar – gestärkt durch seine Rolle als globale Leitwährung – die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie untergräbt. Seine Lösung: gezielte Eingriffe in die Währungsmärkte, strukturelle Reformen und eine industriepolitische Wende.
Doch der ehemalige Fed-Ökonom Steven Kamin hält dagegen: Der Rückgang der Industriearbeitsplätze sei vor allem Folge technologischen Wandels, nicht monetärer Kräfte. Selbst wenn Mirans Maßnahmen greifen sollten, blieben ihre Effekte auf den Arbeitsmarkt wohl begrenzt. Und doch bestimmt Mirans Analyse bereits die politische Agenda – ein Grund mehr, sie jetzt kritisch zu prüfen.
Rezension: A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System von Stephen Miran
Stephen Miran präsentiert in seinem Strategiepapier einen radikalen Entwurf zur Neuausrichtung der US-Handelspolitik. Er stellt die gängige Lehre vom freien Handel in Frage und plädiert für einen strategischeren, sicherheitsorientierten Ansatz, bei dem nationale Interessen und wirtschaftliche Resilienz im Vordergrund stehen. Mit seiner Erfahrung als politischer Berater im Finanzministerium und als Investmentprofi bietet Miran eine Mischung aus ökonomischem Realismus und seiner eigenen geopolitischen Klarheit.
Zentrale Annahmen - Renationalisierung der Wirtschaftspolitik
Freihandel ist eine politische Entscheidung, kein ökonomisches Naturgesetz Miran betrachtet die globale Handelsordnung nicht als neutrale Effizienzmaschine, sondern als Produkt geopolitischer Entscheidungen – insbesondere aus der Zeit des Kalten Kriegs.
Der Niedergang der US-Industrie ist teilweise politisch verursacht Politische Fehlentscheidungen hätten Produktionskapazitäten geopfert und zu stark auf Effizienz statt auf strategische Selbstständigkeit gesetzt.
Geopolitischer Wettbewerb nimmt zu Miran erkennt, dass die Weltordnung zunehmend von strategischem Wettbewerb geprägt ist – etwa mit China –, und dass handelsbezogene Institutionen wie die WTO darauf schlecht vorbereitet sind.
Reformen sind machbar – mit amerikanischer Führung Die USA könnten durch ihre wirtschaftliche Dominanz und Kontrolle über den Dollar eine neue, strategisch orientierte Handelsordnung formen.
Stärken von Mirans Argumentation
Die Geschichte bestätigt seine Sicht auf Handel als politisches Machtinstrument Ökonomen wie Dani Rodrik vertreten ähnliche Ansichten: Handelspolitik spiegle Machtverhältnisse, nicht nur Theorie.
Effizienz schützt nicht vor Verwundbarkeit Die COVID-19-Pandemie offenbarte die Risiken globaler Just-in-Time-Ketten – Mirans Forderung nach strategischer Kapazität wirkt aktueller denn je.
Empirische Belege für Handelsbedingte Arbeitsplatzverluste Studien wie „The China Shock“ zeigen: Handelsliberalisierung kann Regionen wirtschaftlich destabilisieren. Mirans Sorgen sind empirisch nicht aus der Luft gegriffen.
Schwächen und Gefahren seiner Strategie
Miran unterschätzt die Wohlfahrtsgewinne des Handels Jahrzehntelange Forschung zeigt: Offene Märkte bringen Konsumenten Vorteile und steigern langfristig das Wachstum. Diese Aspekte kommen bei Miran zu kurz.
Überschätzt den Handlungsspielraum der USA Ein Umbau des Welthandelssystems erfordert Kooperation – selbst mit Verbündeten schwer erreichbar. Miran stellt dies zu einfach dar.
Industriepolitik birgt erhebliche Risiken Erfolgreiche staatliche Eingriffe in den Industriesektor sind selten – häufig scheitern sie an Ineffizienz, Lobbyismus und Fehlsteuerung.
Fazit
Stephen Mirans Leitfaden ist ein provokantes und strategisch durchdachtes Plädoyer für eine Neuausrichtung der US-Handels- und Währungspolitik. Seine Vorschläge, die sich in der aktuellen Zolloffensive der Trump-Regierung widerspiegeln, stellen die jahrzehntelang dominierende Idee des globalen Freihandels in Frage. Doch mit dem Wiederaufleben protektionistischer Maßnahmen zeigt sich auch, wie umstritten diese Sichtweise ist: Führende Ökonomen weltweit kritisieren die neuen US-Zölle scharf und warnen vor Rezessionsrisiken, globalen Verwerfungen und steigender Inflation. Wenn – wie die Datenlage nahelegt – der Rückgang der US-Industrie weniger auf den Dollar als vielmehr auf Technologie und Produktivität zurückzuführen ist, erscheinen Mirans Vorschläge nicht nur theoretisch fragwürdig, sondern auch wirtschaftspolitisch riskant. Seine Argumente gewinnen zwar politische Schlagkraft, doch sie stehen im Widerspruch zur Einschätzung der Mehrheit der Ökonomen. Damit liefert Miran weniger eine belastbare Reformagenda als eine ideologisch gefärbte Blaupause für einen wirtschaftlichen Alleingang mit ungewissem Ausgang.
Quellen
◼️ Miran, S. (2024). A user’s guide to restructuring the global trading system. https://www.hudsonbaycapital.com/documents/FG/hudsonbay/research/638199_A_Users_Guide_to_Restructuring_the_Global_Trading_System.pdf
◼️ Nalley, T. (2025, March 3). Council of Economic Advisors Chair Nominee Stephen Miran’s Critique of the Global Monetary System—Part I. American Enterprise Institute - AEI. https://www.aei.org/economics/council-of-economic-advisors-chair-nominee-stephen-mirans-critique-of-the-global-monetary-system-part-i/
◼️ Nalley, T. (2025, March 10). CEA Chair nominee Stephen Miran’s Critique of the Global Monetary System—Part II. American Enterprise Institute - AEI. https://www.aei.org/economics/cea-chair-nominee-stephen-mirans-critique-of-the-global-monetary-system-part-ii/